Donnerstag, 29. August 2013

Wieder in Deutschland...

...im Land der leeren Spielplätze [1], der 100% statt 80% Lösungen sowie der im
Gegensatz der polnischen Herzlichkeit größeren Distanz...

Ach, wir radelten gestern mit gewissem Abschiedsschmerz / Wehmut in der
geteilten Stadt Gubin/Guben über die Grenze nach Deutschland: nach 3,5 Monaten
"zurück" in der Heimat, aber es kam uns erstmal fremd vor: direkt nach der
Brücke über die Neiße wirkte die Stadt plötzlich sehr sauber, die Häuser adrett
und die Infrastruktur ohne Fehl und Tadel (keine Roststellen, kein bröckelnder
Beton, die Radwege schön abgesenkt ohne Stufen u.ä.).

Trotzdem: gleich den ersten (eher ungerechtfertigten) Rüffel wegen des vor der
TI abgestellten Rades von einer Beifahrerin kassiert, die glaubte, nicht
direkten Weges in ihr Auto einsteigen zu können, eine im Gegensatz zu den in
Polen und im Baltikum deutlich spürbare größere Distanz / geringere
Herzlichkeit, insbesondere gegenüber den Kindern, die dort vom Personal in
Restaurants nicht selten auf den Arm und umhergetragen / unterhalten wurden u.ä.
Außerdem war der in Guben besuchte, sehr schön gestaltete, Spielplatz kinder-
und menschenleer (bis auf obszöne Schmierereien von Jugendlichen), während
gestern noch in Polen Kinder umtriebig spielten und Mönchen
ob der Gesellschaft freudig umher tobte.

Wir überlegten schon in Warschau, dass die osteuropäische 80%-Lösung etwas mehr
"Lockerheit", Gelassenheit und Flexibilität mit sich bringt als deutsche
100%-Lösungen, deren Einhaltung / Gewährleistung zu einer technisch /
wirtschaftlich sehr guten, menschlich aber suboptimalen Lebensweise/Umgang führt
(in D. z.B. keine Gepäckwagen mehr auf den Bahnhöfen, hochmoderne Schalterhallen
ohne Sitzmöglichkeiten, Verbot das Rad mit hereinzunehmen etc.).

Tja, alles hat eben seine Vor- und Nachteile, aber so angenehm es auch ist, auf
durchgehend glatt geteerten Radwegen entlang der Neiße zu sausen, so sehr
vermissen wir noch das andere. Und in diesem Land wohnt man also: nach den
USA-Zeiten fiel mir die Umstellung leichter.

Dass Tourenradeln und Kinderanhänger hier einen deutlich geringeren
Seltenheitswert haben (auf den 15km entlang des Oder-Neiße-Radwegs gestern etwa
genauso viele Tourenradler gesehen, wie auf der kompletten restlichen Tour ab
Danzig zusammen), ist für das Staunen und die damit aufkommenden Gespräche mit
anderen zwar abträglich, aber zumindest grundsätzlich eher erfreulich sehen :).

Der riesige Braunkohle-Tagebau in Jänschwalde, über den wir gestern Abend
blickten, war sehr beeindruckend: insbesondere die riesige arbeitende
Förderbrücke F60, die sich in ca. 2km Luftlinie gut sichtbar entlang des
Tagebaus fraß.
Außerdem in einem kleinen tollen "Imbiss-Laden" gut und - für westdeutsche
Verhältnisse - dankbar preiswert gespeist und unter einem Mobilfunkmasten und
einer Eiche sehr gut genächtigt, nachdem ich Nachts unter einem Sternenhimmel nochmal zur
Tagebau-Aussichtsstelle gewandelt war.

Heute nun über Forst und des dort vorhandenen Textil-Museums und eines
Rosengartens weiter entlang der Neiße gen Süden.
Noch drei Tage.

HG und Jabonah,
Jagmonia

[1]
http://www.zeit.de/2007/04/Im_Land_der_leeren_Spielplaetze

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