Dienstag, 10. September 2013

Zusammenfassung der Reise vom So, 14. April bis Sa, 14. September 2013

Vorhaben&Umsetzung

Wir wollten mit einem Spezial-Tandem und Kinderanhänger in der Elternzeit unserer Tochter mit ihr (beim Start 2,5 Monate) und unserem Sohn (beim Start 2 Jahre und 2 Monate) etwa vier Monate lang durch Polen und das Baltikum Richtung St. Petersburg radeln.

Bilder

Ein Querschnitt von ca. fünf Bilder/Tag findet sich unter diesem Dropbox-Link.

Beginn

  • Start I: Verlassen der Wohnung am So, 14.04.2013 mit Sack&Pack per Zug von Erlangen mit Verwandtschaftsbesuchen über Leipzig (Agnes Großeltern) nach Rostock (Agnes Patentante). Tags drauf begann das Sommersemester und damit die Untervermietung unserer Wohnung an zwei nette Studenten.
  • Start II: Umstieg aufs Rad am Fr, 26.04.2013, und erste nennenswerte "Testfahrt" mit Rad&Ausrüstung von Rostock über Flessenow/Schwerin nach Greifswald und später weiter nach Usedom (zu Agnes Onkel).
  • Start III: Am Mo, 13.05.2013, weitgehend final ausgerüstet/vorbereitet von Usedom nach Swinemünde/Polen "ins Abenteuer" aufgebrochen: Verwandtschaft und Deutschland hinter sich lassend, die meisten (LMI)ToDo-Listenpunkte ebenfalls :). Beginn Gefühl der Freiheit.

Route

Routen-Bild
  • Erst ca. 300km östlich entlang der polnischen Ostseeküste über Danzig: noch gemäßigt kühl (Pullover und ggf. Jacken nötig), aber meist trocken und die Strände und Ortschaften entlang der Küste angenehm leer: das "Rüsten" für die ab Ende Juni beginnende Hoch-Saison aber unübersehbar.
  • Dann die Küste verlassen und weiter ca. 300km nach Osten entlang der russischen Enklave Kaliningrad durch das hügelige aber sehr schöne Masuren bis zur polnisch-litauischen Grenze (bis hier zwei ernste Anhänger-Brüche/Probleme, die sich Dank aus Deutschland geschickter Ersatzteile bzw. einer polnischen LKW-Werkstatt mit Aluminium-Schweißgerät beheben ließen).
  • Nun ca. 750km entlang der weißrussischen (später russischen) Grenze nach Norden bis an die Ostsee bei Tallinn-Helsinki: durch Litauen die Memel überquerend über Trakai und Vilnius, dann durch Lettland über Daugavpils, Rezekne und Aluksne und zuletzt durch Estland über Tartu und entlang des riesigen Peipussees: der touristisch einsamste und mit schönste und "urigste" Teil unserer Reise mit den besten Menschen-Begegnungen.
  • Mit der Fähre 80km von Tallinn über die Ostsee nach Helsinki.
  • Weiter mit Rad ca. 200km gen Westen durch Südfinnland: erst entlang einer malerischen Schären-Landschaft und anschließend durchs einsame Landesinnere bis Turku: im Gegensatz zu allen anderen Reise-Teilen auf diesem Abschnitt mit fast keinem Einheimischen gesprochen: a) es waren wenig Leute da. b) zeigten sich diese deutlich weniger interessiert/aufgeschlossen.
  • Eine sagenhaft tolle 250km Tages-Fährfahrt nach Südwesten von Turko über die Aland-Inseln nach Stockholm: man sah stets unzählige kleine (Halb)Inseln an sich vorbeiziehen, einmal gar mit Elchen am Strand (das war dann wohl eher Festland ;).
  • Ein kurzer aber sehr schöner und waldreicher 80km Rad-Hüpfer nach Süden durch Schweden von Stockholm nach Nynäshamn.
  • Eine ca. 250km ereignislose neblige Fährfahrt nach Osten von Nynäshamn/Schweden an der Gotland-Insel vorbei zurück ins "heimische" Baltikum bei Ventspils/Lettland: endlich wieder zivile Preise, herzliche Menschen, eine "gerade" Küste :).
  • Weiter mit dem Rad knappe 250km nach Süden durch Lettland (Liepaja) und Litauen (Klaipeda, kurische Nehrung) entlang einer traumhaft schönen und sehr einsamen Ostsee(steil)küste mit vielen Strand-Abschnitten, die in Lettland touristisch erfreulich wenig, in Litauen erschreckend intensiv genutzt wurden.
  • Weitere ca. 450km erst in östlicher, später südwestlicher Richtung an der Memel entlang der nördlichen Seite der Oblast Kaliningrad über das litauische Kaunas zurück nach Polen und bis zum kulturellen Höhepunkt nach Warschau.
  • Aus Zeitgründen ca. 350km mit dem Zug von Warschau nach Westen bis kurz vor die deutsche Grenze bei Frankfurt/Oder.
  • Knappe 200 km entlang des Oder-Neiße-Radweges erst auf polnischer, dann auf deutscher Seite nach Süden bis Görlitz: Langsames Gewöhnen an die Vorstellung, dass die Reise ein Ende haben könnte, Abschieds-Bewältigung :).

Ende

  • Ende I am Sa, 31.08.2013 abends beim Ankommen in Görlitz: Radreise ist zu Ende: Kein Zelten/Gas-Kocher/Ganz-Tag-Natur-Programm mehr...
  • Ende II am So, 08.09.2013: Jan bringt das treue Tandem mit dem Zug von Görlitz nach Erlangen.
  • Ende III am Sa, 14.09.2013: Die ganze Familie kehrt mit dem restlichen Gepäck von Görlitz nach Erlangen zurück: die finale mentale, materielle und ideele Nachbereitung dürfte anschließend noch ein paar Wochen dauern :). In jedem Falle sind wir sehr dankbar: für die erlebte Zeit und wohlbehaltene Rückkehr von Material und erst recht von unseren Kindern/uns.

Zahlen

  • Reisedauer von Start I bis Ende III: 154 Tage, "Kern-Radreisezeit" von Start III bis Ende I: 110 Tage
  • Streckendaten:
    • ca. 5.000km Rad in Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland und Schweden
    • ca. 1.500km Zug in Deutschland und Polen
    • ca. 500km Fähre über die Ostsee zwischen Estland, Finnland, Schweden, Lettland
  • Übernachtungen:
    • ca. 20-25 feste Übernachtungen bei Verwandten/Freunden
    • ca. 15 feste Übernachtungen in Landgasthöfen/Hotels in Städten oder wegen Regen
    • ca. 15 feste Übernachtungen in "Domkis", d.h. kleinen Häuschen/Campingwagen entlang der Ostseeküste in Polen wegen noch kalten Früjahrs bzw. verlockend niedrigen Preisen (10-20 Eur für uns alle zusammen)
    • ca. 20 Zeltnächte auf Campingplätzen
    • ca. 80 Zeltnächte wild: vorwiegend im Wald oder mäßig sichtgeschützt auf Wiesen (1x nach Ermunterung mitten auf Dorfplatz ;)
  • Zwischenfälle:
    • 4-6x (ernsthafte) Anhänger-Probleme (Rahmen- und Kupplungs-Brüche, Risse an tragenden Elementen u.ä.): lästig und potentiell gefährlich (z.b. Kupplungsbruch und damit verbundener "Verlust" des Anhängers inkl. Kinder während Fahrt zum Glück nicht auf den Autobahn-Abschnitten vor Vilnius, sondern auf unbefahrener Dorfstraße bei niedriger Geschwindigkeit)
    •  2-4x leichte "Erkankungen" in Form von Magen-Darm-Infekten: lästig aber passabel beherrschbar, solange ein Partner noch gesund und einsatzfähig ist, die Kinder bespaßen und alle versorgen kann sowie die nächste Einkaufsmöglichkeit nicht mehr als eine Rad-Stunde entfernt liegt.
    • 1x betrunkene Jugendliche zur Morgendämmerung am Rad-Gepäck/Zelt: waren dankbarerweise aber harmlos und "nur" auf Alkohol-&Zigarettensuche: nie bedroht, bestohlen oder sonstwie belästigt worden: mindestens höflicher, eher herzlicher Umgang.

 Eindrücklichste Begegnungen (chronologisch und höchst unvollständig)

  • "Milch-Mann": litauischer Mann, der offenbar nur von unserem Troß begeistert, vom anderen Ende des Felds bergauf zu uns gerannt kam und uns frisch gemolkene Milch schenkte sowie uns später nachradelte, Bierflaschen für einen gemeinsamen Umtrunk unterm Hemd.
  • Eltern/Schwester von Andrius, die uns sehr herzlich für mehrere Tage in Vilnius familiär aufnahmen.
  • Lettischer Motorradmechaniker inkl. Eltern sowie sein Schweißer-Freund: halfen uns an der lettisch/weißrussichen Grenze nach Anhänger-Kupplungsbruch und bescherten uns den urigsten "Einheimischen"-Abend mit einer "echten" Feier inkl. Banja/Sauna, Fisch-fangen-ausnehmen-braten, Ziegenmelken etc.
  • Berliner Familie, die mit umgebauten Bundeswehr-Unimok eine "echte" Jahres-Weltreise unternommen hatten.
  • Schweizer Studentenpärchen, die von Basel bis St. Petersburg radelten und anschließend mit der transibirischen Eisenbahn nach Peking sowie von dort mit Rucksack weiterreisen wollten.
  • Junger Südkoreaner, der vor 1,5 Jahren in Südkorea mit seinem Rad startete und inzwischen über 33.000km sowie einen eisigen Winter hinter sich sowie noch ca. ein Jahr vor sich hat.
  • "Aussteiger" Franzose und Estin am Peipussee, bei denen wir einen gesprächigen Abend und Nacht verbrachten.
  • Viele, viele Menschen, mit denen wir uns bei fast jeder Rast unterhielten (ca. 3-5x/Tag), und die die Tour in verschiedenster Hinsicht enorm bereicherten.

Weitere Details, Anektoden, Eindrücke u.ä...

...folgen persönlich oder - falls ausreichend Interesse besteht und wir zeitlich dazu kommen - in Form eines ausführlichen Reiseberichts (um abzuschätzen, ob sich der Aufwand lohnt, diesbezüglich schreibend tätig zu werden, wäre eine "fände-ich-interessant-Motivations-Mail" an baltikum@jan-christoph.net (falls vorhanden: mit Nennung eines interessierenden Schwerpunkts) nicht nachteilhaft :).

Donnerstag, 5. September 2013

Reise-Ende: Abschieds-Bewältigung

Am Samstagabend rollten wir nach 4,5 Monaten und 5.000 Radkilometern in Görlitz ein (von Sonntagmorgen bis Mittwochabend war ich direkt im Anschluss auf einer Tagung in Lübeck, deswegen erst jetzt der Eintrag): das Ende unserer wunderschön erfüllenden und zum freien Alltag gewordenen Elternzeit-Radreise.
Dass ich 20km vor dem Ziel die Kamera und damit auch die Bilder der letzten 2-3 Tage verlor, war dabei weit weniger traurig als das eingespielte Rad-Anhänger-Gespann endgültig abzuladen, die Packtaschen zu verstauen, den Anhänger abzukoppeln und das Rad in den Keller zu stellen: ansatzweise fühlte ich den Menschen nach, die an ihrem letzten Arbeitstag das Licht ausmachen und - wie im m.E. durchaus sehenswerten Film "About Schmidt" - unwiderruflich eine Lebensweise und -Welt hinter sich lassen, die einem sehr vertraut geworden ist, in der man sich wohl und - in diesem Falle - frei fühlte: täglich neue und interessante Menschen kennen lernte, den ganzen Tag in der Natur lebte und diese insbesondere durch das Zirpen der Grillen und Zwitschern der Vögel hörte, die Sonne bei ihrem Lauf über das Himmelszelt begleitete, morgens beim Zeltabbauen im Wald oder auf der Wiese köchelte und frühstückte, jeden Tag neue Landstriche durchfuhr, "in der Fremde" war und sich des Abends einen ansatzweise von der Straße sichtgeschützten Nachtplatz suchte, um vor der Dämmerung das Zelt aufzubauen, ggf. noch etwas zu kochen und uns mit den Kindern über den vergangenen Tag unterhaltend selbigen vor Mitternacht zu beschließen.
Natürlich nächtigten wir auch auf "echten" Campingplätzen, in Städten und nach Regendurchnässung auch in Landgasthäusern/Hotels, aber immer auf der Durch-/Weiterreise, bis auf wenige Ausnahmen täglich das Quartier wechselnd.
Und das ca. 140 Tage lang, was die Ausrüstung, die täglichen Handgriffe und Reise-Lebensweise zu einer ganz anderen vertraut und liebgewonnenen Routine werden ließ, wie ich es nach Urlauben in "Normal-Länge" bis ca. drei Wochen fühlte.

Nun ist es zuende und wird im Strom des neuen Alltags viel schneller in die Versenkung geraten als man es sich gerade beim Gepäck-Abladen vorstellen kann.

Die nächsten Tage sind wir noch zusammen in Görlitz und "hüten" Agnes' kleine Schwester während die Schwiegereltern unterwegs sind, anschließend fahre ich kommenden Sonntag mit einem 2-Tages-Aufenthalt in Erlangen zwecks Bildung nach Pommersfelden und hole Agnes und die Kinder am WE des 14/15.09.2013 in Görlitz ab, sodass wir ab 16.09.2013 wieder alle in Erlangen sind und die letzten Rückbau-Arbeiten der Reise abwickeln: Zurückräumenn zahlreicher Kisten der ehemals untervermieteten Wohnung sowie unserer Reise-Habseligkeiten, Sortieren der Bilder und GPS-Tracks, ggf. Schreiben ausführlicherer Reise-Berichte oder gar -Bücher ;) etc.
Außerdem harren für Agnes und mich jeweils gewisse akademische Arbeiten bis Jahresende ihrers Beginns bzw. Vollendung.
Willkommen zurück in Zeit&Ort der ToDo-Listen (sowie der in herbstlicher und winterlicher Zeit angenehmer fester Unterkunft :)..

Und wie heißt es so schön:
Und das Fest, das wir endlos wähnen,
Hat doch wie alles seinen Schluß.
Nun, keine Worte und keine Tränen,
Alles kommt, wie‘s kommen muß.

In diesem Sinne sind wir sehr dankbar für die ohne Personenschäden und nur mit -im Erwartungsbereich liegenden- geringen Verlusten/Schäden großartig verlaufene Reise und grüßen vielmals aus Görlitz,
Jagmonia